• Diskriminierung à la carte: Nein zur Bezahlkarte!

    Die geplante Bezahlkarte ist ein menschenrechtswidriges Instrument der Ausgrenzung und Kontrolle. Bremen soll die Karte weder einführen noch unterstützen. Dies fordert der Flüchtlingsrat Bremen gemeinsam mit weiteren Unterzeichner*innen einer Petition vom Bremer Senat.

    Es gibt eigentlich keinen Grund, die Einführung einer Bezahlkarte für Leistungen nach dem AsylbLG zu diskutieren. Außer leider, dass ihre Einführung bereits beschlossen wurde, ohne dass es dafür eines sachlichen Grunds bedurfte.

    Für die Behauptung der Ministerpräsident*innenkonferenz, Flüchtlinge würden Geld ins Ausland überweisen, wurde kein Beleg vorgelegt. Es handelt sich um eine unbewiesene und zudem unplausible Behauptung. Noch wichtiger ist: Selbst wenn die Behauptung ansatzweise richtig wäre, läge darin keine Legitimation für Restriktionen. Denn der Sinn von pauschalierten sozialen Leistungen besteht gerade darin, dass die Empfänger*innen damit machen können was sie wollen. Die freie Verfügung über das wenige gewährte Geld ist ein wesentlicher Aspekt menschenwürdiger sozialer Leistungen. Die Karte ist deshalb ein direkter Angriff auf Teilhabemöglichkeiten der Betroffenen. Mit der Diskussion um die Karte wird auch die Lüge transportiert, Flüchtlinge erhielten ausreichend oder gar zu viele Leistungen. Tatsächlich liegen diese Leistungen unterhalb des gesetzlich definierten Existenzminimums.

    Der Bremer Senat hat angekündigt, das neue Diskriminierungsinstrument ‚diskriminierungsfrei‘ umzusetzen. Die Karte soll hier angeblich nur dabei helfen, eine andere Diskriminierung abzumildern. Nämlich die oft lang andauernde Verweigerung eines Girokontos für neu eingereiste Geflüchtete. Diese erhalten bisher im Sozialamt Bargeld an Stelle einer Überweisung aufs Konto. Selbst wenn mit der Karte ohne Einschränkungen bezahlt und Geld abgehoben werden könnte, kann sie jedoch ein Bankkonto nicht ersetzen. Es ist zudem absehbar, dass die weiteren Möglichkeiten für Einschränkungen auch in Bremen genutzt werden, womöglich mit Hinweis auf die Bundeseinheitlichkeit mit den schneller diskriminierenden Bundesländern.

    „Die Bezahlkarte birgt viele Diskriminierungsmöglichkeiten in sich: Barauszahlungen könnten gedeckelt werden, noch nicht ausgegebenes Guthaben könnte als „verfallen“ jederzeit wieder entzogen werden. Das Sozialamt könnte beschränken, was und wo mit der Karte gekauft werden kann“, so Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat Bremen. „Außerdem ist Kartenzahlung im Alltag vielfach nicht möglich. Daneben wird die Karte auch ein Überwachungs- und Kontrollinstrument: Das Amt weiß, was Sie gestern wo gekauft haben.“

    Diskutiert wird auch, das notorisch verfassungswidrige AsylbLG mit der Karte auch bundesgesetzlich noch weiter zu verschlechtern. Der Flüchtlingsrat hat die Bremer Politik gestern dazu aufgefordert, sich dem entgegen zu stellen.

    „Eine ‚diskriminierungsfreie Umsetzung‘ der Karte, wie sie die Bremer Koalitionsparteien vereinbart haben, ist nur möglich, in dem sie gar erst nicht eingeführt wird“, so Ghafouri.

    Deshalb beteiligt sich der Flüchtlingsrat an der Petition „Nein zur Bezahlkarte“, die ab heute unterstützt werden kann. Menschen die Leistungen nach dem AsylbLG beziehen müssen, sollen so am Zahlungsverkehr teilnehmen können wie alle anderen auch: So wie sie es möchten!

  • Warum braucht es die Aktion?

    In den letzten Jahren sind besorgniserregende Entwicklung zu beobachten: Rechte Ideologien und autoritäre Tendenzen gewinnen zunehmend an Einfluss und manifestieren sich – nicht nur auf gesellschaftlicher, sondern auch auf politischer Ebene. Immer häufiger werden Gesetze verabschiedet (wie die sogenannte GEAS-Reform oder das Bettelverbot in der Bremer Innenstadt), die die Freiheit insbesondere von geflüchteten und anderen marginalisierten Menschen stark einschränkt und autoritäre Kontrollmechanismen stärkt. Dies zeigt auch der Beschluss zur Schikanekarte!

    Die Schikanekarte wird in Bremen zu Beginn des Jahres 2025 eingeführt. Dabei löst sie weder ein bestehendes Problem noch erleichtert sie das Leben der betroffenen Menschen. Stattdessen ist sie nichts weiter als eine symbolpolitische Handlung und eine weitere Zuspitzung schon lange verfolgter rassistischer und menschenfeindlicher politischer Praxis. Sie ist ausgrenzend, kontrolliert und stigmatisiert und hat massive Auswirkungen auf die Leben der betroffenen Menschen!

    Diese Entwicklung erfordert Widerstand und praktische Solidarität mit den betroffenen Menschen!

    Warum sprechen wir von der Schikanekarte?

    Wir verwenden das Wort Schikanekarte, um dem Versuch der herrschenden Parteien des positiven Framings rund um die „Bezahlkarte“ zuvorzukommen und klar und deutlich zu benennen, worum es sich bei der „Bezahlkarte“ handelt:

    Sie ist eine unter Ausnutzung staatlicher Machtbefugnisse getroffene böswillige Maßnahme, die schutzsuchenden Menschen unnötig Schwierigkeiten bereitet. Die Schikanekarte ist ausschließlich eine symbolpolitische Handlung, die keinerlei Probleme löst. Vielmehr ist sie

    1. Diskriminierend und stigmatisierend:
      Schutzsuchenden wird nicht zugetraut, verantwortlich mit Geld umzugehen. Dadurch wird ihre Selbstbestimmung weiter eingeschränkt. Außerdem werden Asylsuchende beim Bezahlen direkt als solche erkannt. Das widerspricht der Idee von Integration.
    2. Kontrollierend und bevormundend:
      Mit der Bezahlkarte wird das Kaufverhalten von Geflüchteten kontrolliert, gesteuert und überwacht. Bspw. können bestimmte Händler oder Waren von der Bezahlung ausgeschlossen werden. Außerdem haben die Kommunen Einblick auf die Bezahlaktivitäten der Schutzsuchenden. Das ist eine staatliche Überwachung.
    3. Ausgrenzend und einschränkend:
      Ohne Überweisungen werden Geflüchtete aus dem Alltagsleben ausgegrenzt. Überweisungen sind heutzutage unentbehrlich – etwa für einen Handyvertrag, den Mitgliedsbeitrag beim Sportverein oder um eine Rechtsanwältin für das Asylverfahren zu bezahlen. Auch Überweisungen von Karte zu Karte sollen nicht möglich sein. Durch die Möglichkeit der regionalen Einschränkung der Karte kann die Mobilität und Selbstbestimmung der Betroffenen durch die Hintertür beschränkt werden. Außerdem hindert die Beschränkung von Bargeldabhebungen die Betroffenen daran, günstige Einkaufsmöglichkeiten wie Flohmärkte oder kleinere Läden ohne Kartenzahlsysteme wahrzunehmen. 
    4. Ausweitung der Diskriminierung:
      Es werden bereits erste Forderungen nach einer Bezahlkarte für bspw. Bürgergeld-Beziehende laut. Die Einführung dieser diskriminierenden Praxis wird die vulnerabelsten Personengruppen betreffen: Schutzsuchende, Menschen, die von (Alters-)Armut betroffen sind, Menschen mit Behinderung, mit chronischen oder psychischen Krankheiten. Ein Land, das sich als Sozialstaat versteht, ist verpflichtet, eben diese Menschen zu schützen!
    5. Entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse:
      Befürworter*innen der Schikanekarte stellen diese als Lösung der “Migrationsprobleme” dar. Es wird damit argumentiert, dass mit der Schikanekarte bürokratische Aufwand reduziert, eine Flucht nach Deutschland unattraktiver werde oder Gelder nicht mehr in Herkunftsländer geschickt werden könnten. Tatsache ist: Kein einziges dieser Pro-Argumente ist handfest. Die Parteien (SPD, CDU/CSU, Die Grünen, FDP und AfD) behaupten, Probleme zu lösen, von denen es seitens der Migrationsforschung keine Belege gibt, dass sie überhaupt existieren.

    Links Presse:

    Gründe, weshalb die Schikanekarte problematisch ist: https://www.proasyl.de/news/so-laeuft-das-nicht-die-lange-liste-der-probleme-mit-der-bezahlkarte/

    FAQ zur Schikanekarte: https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/faq-bezahlkarte

    Infos des Bremer Flüchtlingsrates: https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/diskriminierung-a-la-carte-nein-zur-bezahlkarte/

    Bereits aktiver Infokanal in Bremen mit Petition: https://www.instagram.com/nein_zur_bezahlkarte_bremen/

    Tauschaktionen in anderen Städten:

    München: https://offen-muenchen.de

    Hamburg: https://www.bezahlkarte-nein.de

    Oldenburg: https://www.instagram.com/neinzurbezahlkarteol/

    Erfurt: https://www.seebruecke.org/mach-mit/deutschland/thueringen/erfurt

    Regensburg: https://www.kartentausch-regensburg.de

    Nürnberg: https://www.instagram.com/kartentausch_nbg/

    Leipzig: https://www.instagram.com/nein_zur_bezahlkarte_leipzig/